QualitätsstandardsProfessionalität braucht Qualität

Die Engagementquote in Deutschland steigt. Noch mehr Menschen wären bereit sich freiwillig und unentgeldlich zu engagieren, aber die Anzahl von Personen mit ehrenamtlichen Leitungsfunktionen nimmt seit Jahren kontinuierlich ab (vgl. BMFSFJ 2014). Vor diesem Hintergrund erkennen Vereine, Verbände, Kommunen und die Sozialwirtschaft an, dass es den Ausbau des professionellen Managements von Ehrenamtlichen, als Unterstützungsstruktur für das Bürgerschaftliche Engagement in Deutschland braucht. Ganz im Sinne dieser allgemein geteilten Einsicht entfaltet sich mittlerweile eine breit gefächerte Landschaft von Initiativen und Projekten mit ehrenamtlichen wie hauptamtlichen Stellen, um die Koordination und das Management von Freiwilligen zu gewährleisten. Ob in der Nachbarschaftshilfe, im Sport, beim Kulturevent oder in der Tagespflege; stets sind es hoch motivierte Menschen, die für ein freiwilliges und gemeinnütziges Engagement von möglichst vielen Bürgerinnen und Bürgern arbeiten.

Was in diesem Handlungsfeld allerdings bis heute fehlt, ist eine integrierte Beschreibung von Qualitätsstandards, an denen sich die professionellen Unterstützer*innen orientieren und zu deren Erfüllung sie auch entsprechende Anforderungen an die Auftraggeber formulieren können.

Mit den hier formulierten „Qualitätsstandards“ beschreibt die GESELLSCHAFT FÜR FREIWILLIGENMANAGEMENT worauf es im Sinne eines professionellen Managements von Ehrenamtlichen ankommt. Praktiker*innen in der GFM machen auf diese Weise ihren eigenen Anspruch für eine umfassende und nachhaltige Unterstützung des Bürgerschaftlichen Engagements in Deutschland transparent. Darüber hinaus definieren sie damit auch einen Anspruch an die Rahmenbedingungen für ihr professionelles Handeln. Zusammengenommen ist es ein grundlegender Beitrag zur Entwicklung des Freiwilligenmanagements als eigenständige berufliche Profession im deutschsprachigen Raum.

 

Qualitätsstandards im Freiwilligenmanagement

 

Engagementstrategie bestimmen und umsetzen

  • integriert sich in die Organisation und wird als Bestandteil der institutionellen Gesamtstrategie von der Leitung gestützt.
  • integriert sich in den sozialen Raum, berücksichtigt Alter, Geschlecht, Herkunft, Bildung, Arbeitswelt, Einkommen, Wohnen, etc. der Engagierten und der Engagementadressaten. Dabei werden die erwartbaren Zukunftstrends bedacht und darauf bezogene Experimente gefördert.
  • integriert sich in das politische Umfeld, passt sich als ein Gelingensbeitrag in die kommunale Engagementpolitik ein und gewährleistet die Gemeinwohlorientierung.
  • wird partizipativ entwickelt und mit persönlich oder institutionell betroffenen Personengruppen abgestimmt.
  • wird mit den notwendigen Ressourcen ausgestattet, die eine praktische Umsetzung möglich machen.
  • wird transparent gemacht und mit relevanten Interessengruppen im Rahmen von Netzwerken kontinuierlich überprüft.

 

Bedarfe klären und Aufgabenprofile entwickeln

  • sind im Rahmen der Engagementstrategie verortet und bedienen damit auch die Interessen der Organisation.
  • werden unter Beteiligung der Nutzer/innen und betroffenen Fachkräfte entwickelt, womit die Interessen und Bedürfnisse der direkten Kontaktpersonen berücksichtigt sind.
  • werden aus Perspektive der Freiwilligen-Zielgruppe beschrieben, was sich einerseits in Sprache und Ausdruck spiegelt und andererseits den Gewinn für die engagierten Menschen mit deren Interessen verknüpft.
  • beschreiben angemessene Ziele und Aufgaben sowie ein Gleichgewicht von persönlichen Anforderungen und individuellem Gewinn.
  • machen den strukturellen Rahmen transparent, was den Ausweis von Gesamtdauer, regelmäßigem Zeitaufwand, fachlicher Unterstützung sowie den Möglichkeiten und Grenzen der Auslagenerstattung / Aufwandsentschädigung beinhaltet.
  • machen den rechtlichen Rahmen transparent, was immer den Versicherungsschutz beinhaltet und je nach Handlungsfeld auf den Datenschutz eingeht sowie ein qualifiziertes Verfahren zur Prävention vor sexuellem Missbrauch erkennbar macht.

 

Freiwillige gewinnen

  • mit einer zielgruppenspezifischen Ansprache unter Nutzung ausgewählter Medien und Kooperationen (Vereine, Verbände, Agenturen, Kommune, Unternehmen).
  • mit der Aktivierung von Beziehungsnetzwerken zur persönlichen Ansprache.
  • vermittelt durch eine Ansprechperson für offene Fragen oder konkretes Interesse.
  • erkennbar gemacht in ausformulierten Angeboten und der grundsätzlichen Offenheit für die eigenen Ideen der Freiwilligen.
  • mit Optionen für einen versuchsweise Einstieg und vorzeitigen Ausstieg.
  • nachvollziehbar in einer schriftlichen Vereinbarung zum Engagement inkl. Datenschutzerklärung (sowie ggf. Einsichtnahme in ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis).

 

Freiwillige einführen, begleiten und qualifizieren

  • im Rahmen einer Einarbeitung durch eine persönlichen Ansprechperson im Einsatzfeld und durch Informationen zum Engagement (z. B. Grundsätze des Umgangs) und zum Handlungsfeld (z. B. Sicherheitsbelehrung, Notfallplan).
  • begleitet von einer Ansprechperson für grundsätzliche Fragen, besondere Konflikte oder persönliche Entwicklungswünsche (Orientierungskontakt min. 1 / Jahr).
  • unterstützt durch regelmäßige Angebote zur kollegialen Beratung unter Freiwilligen und zur Qualifizierung im Engagementbereich (Ggf. Angebot der Supervision).
  • eingeladen zur Mitgestaltung im Handlungsfeld durch niedrigschwellige Möglichkeiten (Feedbackgespräche, Fragebögen) und durch einen transparenten Zugang zu Beiräten oder Gremien.
  • mit transparenten Entwicklungsmöglichkeiten im bestehenden oder in andere Handlungsfelder sowie in die Übertragung von (begrenzten) Entscheidungsbefugnissen und Budgets.

 

Zusammenarbeit von Freiwilligen und Fachkräften pflegen

  • durch die Integration von Freiwilligen und Fachkräften als gleichermaßen wichtige Mitglieder eines Teams.
  • mit der Reflexion der Zusammenarbeit als wiederkehrendes Thema in Besprechungen mit Freiwilligen und mit Fachkräften.
  • mit Gelegenheiten für geselligen Kontakte zur Pflege von Beziehungen und als Ausdruck besonderer Wertschätzung.
  • ergänzt durch eine kompetente Ansprechperson für Konflikte zwischen Freiwilligen und Fachkräften.

 

Engagement anerkennen und wertschätzen

  • vermittelt durch eine wertschätzende Ansprache zur Pflege des persönlichen Kontakts und zum Dank für das freiwillige Engagement.
  • mit Gelegenheiten für geselligen Austausch unter Freiwilligen (und ggf. mit Fachkräften).
  • ergänzt durch personalisierte Aufmerksamkeiten (z. B. Grußkarte) zu regelmäßigen Anlässen (Geburtstag, Einsatzjubiläen, etc.) und bei besonderen Leistungen.
  • in einer transparenten Struktur von Begünstigungen, Präsenten und Ehrungen für das freiwillige Engagement innerhalb einer Organisationseinheit und in Abstimmung mit der Gesamtorganisation. Darin werden die unterschiedlichen Voraussetzungen von Personen (Jugend, Senioren, Frauen, Männer, etc.) und die unterschiedlichen Rollen (Vorstand, Helfer/innen, stille Helfer/innen, etc.) berücksichtigt. Der Zugang zu staatlichen Anerkennungsformen (z. B. Ehrenamtscard) wird darüber hinaus aktiv unterstützt.
  • unter Berücksichtigung individueller Interessen bei der Auswahl von Begünstigungen (geldwerte Vorteile, Qualifizierung, Mitbestimmung, Entscheidungsbefugnisse, etc.) und Präsenten.
  • erkennbar gemacht durch die öffentlich und medial vermittelte Würdigung von Engagement und Ehrenamt soweit dies die persönlichen Befindlichkeiten der Freiwilligen nicht beschädigt.

 

Einbindung und Vernetzung des Engagements

  • durch die Einbindung in die Organisation zur umfassenden Berücksichtigung von freiwilligem und ehrenamtlichem Engagement in der Kultur und Praxis der Gesamtorganisation (z. B. Verbandsgliederungen, Abteilungen, Ebenen).
  • im Rahmen einer Vernetzung in der Engagementlandschaft auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene (z. B. Vereinsringe, Runde Tische, Wohlfahrtsverbände, Fachverbände, Koordinationsstellen der Landkreise, Landes- und Bundesnetzwerke zum Ehrenamt), um darin die unterschiedlichen Interessen von Freiwilligen, Hauptberuflichen und Leistungsnutzern zu vertreten.
  • gestützt durch eine Öffentlichkeitsarbeit zur Darstellung und Würdigung des Engagements in den klassischen und digitalen Medien.

 

Ausstieg und Wiedereinstieg möglich machen

  • durch die pro-aktive Thematisierung von Enddaten für ein bestimmtes Engagement zur ergebnisoffenen Klärung von Fortsetzung, Veränderung oder Beendigung.
  • mit einem wertschätzenden Fokus auf das, was geleistet und erreicht wurde, ohne dass dies durch die möglicherweise nicht vorhandene Fortsetzung des Engagements geschmälert wird.
  • ausgewiesen durch die Möglichkeit der schriftlichen Bestätigung des freiwilligen Engagements für berufliche Zwecke.
  • erkennbar gemacht durch ein Verabschiedungsritual und offen gehalten in der grundsätzlichen Möglichkeit einer Wiederaufnahme.

 

Evaluation und Weiterentwicklung des Engagements

  • durch eine quantitative Erfassung des Engagements (Engagierte, Zeiten, Nutzer, Engagementfelder, etc.) und seiner qualitativen Bewertung durch die Freiwilligen.
  • durch eine Erfassung der Wirkung des Engagements aus Sicht der Freiwilligen und aus Sicht der Nutzer.
  • abgesichert im Rahmen einer Dokumentation und Veröffentlichung des Engagements und seiner Wirkung.
  • verarbeitet in der Präzisierung von eigenen Standards und in der Weiterentwicklung des professionellen Rahmens für das Engagement.